Direkt zum Hauptbereich

Irrläufer



Kürzlich bekam ich eine Mail, die offenbar nicht für mich bestimmt war. Ich kannte zwar die Absenderin, aber die Anrede „Lieber ….“ irritierte mich denn doch. Einen irrtümlich in meinen Briefkasten geworfenen Brief hätte ich natürlich nicht geöffnet, aber bei einer Mail darf man schon mal neugierig sein. Ich las sie also. Und schämte mich fremd: Die Absenderin verbreitete sich darin über die Unfähigkeit eines – mir unbekannten – Kollegen. Dummer Weise hatte sie auf die falsche Taste gedrückt und ihr vernichtendes Urteil versehentlich an alle möglichen Adressaten geschickt. Ich vermute, das Objekt ihrer Lästerei war auch dabei und wird sicher betroffen gewesen sein.
An der Pinnwand in meinem Büro hängt schon seit längerem ein Hinweis des mexikanischen Autors Miguel Angel Ruiz: „Wähle deine Worte mit Bedacht und sei untadelig in deinen Worten.“ Sie soll mich daran erinnern, dass man in ihrer Abwesenheit nichts über andere sagen sollte, was sie nicht auch hören dürften. 
Vielleicht liest die Absenderin ja diesen Blog.

Kommentare

  1. Es ist gut, wenn wir über unsere Worte vorher nachdenken. Erst mal gesagt bzw. geschrieben, wird es schwierig werden für ein friedliches Miteinander. Vielleicht ist der Absenderin gar nicht bewusst, dass sie sich mit dieser Mail vor allem selbst schadet. Sie zeigt doch indirekt mit einem Finger auf den Kollegen und drei Finger zeigen gleichzeitig auf ihren Körper. Ich wünsche der Frau, dass sie den Mut zu einer ehrlichen Entschuldigung ihrem Kollegen gegenüber hat.

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Ruhe bitte!

Die Autorin Regina Kramer schreibt in einem Artikel: „Lärm ist nicht nur eins auf die Ohren, sondern auch auf Psyche.“ Sie hat ja so Recht! Ich weiß, wovon ich rede: Unter unsere Wohnung in einem schönen, aber hellhörigen Altbau sind seit einiger Zeit drei koreanische Musikstudentinnen eingezogen. Seitdem wird gerne zwischen 11.00 Uhr und 19.00 Uhr Geige geübt. Nicht etwa zusammenhängende Melodien, sondern einzelne Töne, die an die Laute einer malträtierte Katze erinnern. Aber mir bleibt ja noch die Flucht ins Büro. Nur, seit einem halben Jahr hat unter meinen Räumen ein Laden für Shishas (Wasserpfeifen) eröffnet. Offenbar ist Musik dem Verkauf förderlich, jedenfalls höre ich die Bässe wummern. Nachdem ich mehrfach wie ein Racheengel im Laden aufgetreten bin, ist es derzeit ruhig. Zu empfindlich? Oh nein, ich habe die Hirnforschung auf meiner Seite: Laute Geräusche mindern die Informationsverarbeitung im Gehirn und blockieren die Kreativität. Aber als Psychologin weiß ich auch...

Kleine Freuden

Vor ein paar Tagen war ich in Oldenburg. Weil ich zwischen zwei Vorträgen Zeit hatte, bummelte ich durch die schöne Stadt mit ihren vielen reizvollen Geschäften. Ich trug einen langen schwarzen Mantel. Und plötzlich sagte hinter mir eine weibliche Stimme: "Was für eine schöne Silhouette." Erfreut drehte ich mich um und blickte einer sympathischen Dame ins Gesicht. Als ich  mich für das Kompliment bedankte, erklärte sie mir: "Wenn ich etwas schön finde, dann sage ich das gerne." Ich freute mich gleich doppelt, denn ich hatte offenbar eine Schwester im Geiste getroffen: Wenn mir etwas an jemandem gefällt, dann teile ich das mit, auch wenn ich die Person gar nicht kenne. Erst stutzen diejenigen meist, weil so eine Ansprache eher ungewöhnlich ist. Eine Dame, deren extravaganten Hut ich bewunderte, fragte sogar misstrauisch: "Meinen Sie das ernst?". Doch dann löst mein Kompliment immer Freude aus - so wie ja auch, siehe oben, bei mir. Weil es einfach schön ...

Enge des Herzens

1995 bekam Christiane Nüsslein-Volhard den Nobelpreis für ihre Forschung zur genetischen Steuerung der Embyonalentwicklung. Jetzt erzählt sie in einem Interview im Spiegel unter anderem , wie man im Kollegenkreis darauf reagiert hat: Nachdem sie vom Nobelpreis-Komitee benachrichtigt worden war, rief Nüsslein-Vollhard den Direktor ihres Instituts an  und informierte ihn: "Ich werde den Nobelpreis bekommen, ich glaube, wir sollten eine Feier organisieren." Er sagte: "Kannst du dich bitte um den Sekt und all das kümmern? Ich habe gerade keine Zeit." Was für eine Enge des Herzens. Ich kann durchaus verstehen, dass man neidisch ist. Schließlich ist Neid ein Gefühl, das einen plötzlich überfällt. Aber dann haben wir die Wahl, wie wir damit umgehen. Wenn wir unser Herz sprechen lassen, wird die Mit-Freude für den anderen überwiegen. Und wenn wir es nicht mit dem Herzen schaffen, dann doch wenigstens mit dem Kopf: Da erhält  jemand, was er sich mit großem  Engagement ve...