Seit Jahren stand in einer Ecke unseres Wohnzimmers ein Schallplattenapprat, ein Turm
mit einem großen Fach für Langspielplatten. Seit meiner Studentenzeit hatte sich da
einiges angesammelt. Elvis Presley lehnte sich an die Callas, die Rolling
Stones an Wagners Tannhäuser. Aufgelegt hatte die Scheiben seit Jahren keiner
mehr. Schließlich gibt es inzwischen alles auf CD oder man kann es sich vom
Computer herunterladen. Es wurde endlich Zeit für den alten Kasten, auch wenn
er recht dekorativ aussah. Mein Sohn und ein Freund entsorgten ihn, das Teil
war ziemlich schwer. Am gleichen Abend sah ich im Fernsehen eine Dokumentation
mit dem Titel „Venyl Revival“. (Venyl ist der Stoff, aus dem die schwarzen Scheiben
gepresst werden.) Ich erfuhr, dass es riesige Plattenbörsen gibt, wo Sammler bis
zu dreißigtausend Euro ausgeben. Im Interview sagten sie mit leuchtenden Augen:
„Schallplatten sind etwas Besonderes, sie ermöglichen eine taktile Sinnlichkeit“.
Ein anderer schwärmte: „Du kannst die Musik fühlen“. Und: „Das hat eine ganz
andere Wertigkeit, die gibt der Musik ihr Gesicht zurück.“ Ach, sie haben ja so
recht: Eine Schallplatte vorsichtig zwischen die Hände zu nehmen, sie auf den
Plattenteller zu legen, den Tonarm aufzusetzen – das hat schon etwas.
Vielleicht habe ich einen Fehler gemacht…
Die Autorin Regina Kramer schreibt in einem Artikel: „Lärm ist nicht nur eins auf die Ohren, sondern auch auf Psyche.“ Sie hat ja so Recht! Ich weiß, wovon ich rede: Unter unsere Wohnung in einem schönen, aber hellhörigen Altbau sind seit einiger Zeit drei koreanische Musikstudentinnen eingezogen. Seitdem wird gerne zwischen 11.00 Uhr und 19.00 Uhr Geige geübt. Nicht etwa zusammenhängende Melodien, sondern einzelne Töne, die an die Laute einer malträtierte Katze erinnern. Aber mir bleibt ja noch die Flucht ins Büro. Nur, seit einem halben Jahr hat unter meinen Räumen ein Laden für Shishas (Wasserpfeifen) eröffnet. Offenbar ist Musik dem Verkauf förderlich, jedenfalls höre ich die Bässe wummern. Nachdem ich mehrfach wie ein Racheengel im Laden aufgetreten bin, ist es derzeit ruhig. Zu empfindlich? Oh nein, ich habe die Hirnforschung auf meiner Seite: Laute Geräusche mindern die Informationsverarbeitung im Gehirn und blockieren die Kreativität. Aber als Psychologin weiß ich auch...
Liebe Frau Dr. Wlodarek, vielen Dank dafür, dass Sie uns Ihre Erfahrung mit dem Entrümpeln erzählen. Ich frage mich, inwieweit werden wir bei unseren Entscheidungen von anderen manipuliert? Vielleicht sind Sie unbewusst dem Wunsch Ihrer Familie gefolgt? Als Psychologin können Sie das natürlich besser beantworten. Und außerdem ist die Anlage nun weg. Ärgern schadet uns ja bekanntlich selbst. Herzliche und fröhliche Grüße nach HH!
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