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Schwarzes Gold



Seit Jahren stand in einer Ecke unseres Wohnzimmers ein Schallplattenapprat, ein Turm  mit einem großen Fach für Langspielplatten. Seit meiner Studentenzeit hatte sich da einiges angesammelt. Elvis Presley lehnte sich an die Callas, die Rolling Stones an Wagners Tannhäuser. Aufgelegt hatte die Scheiben seit Jahren keiner mehr. Schließlich gibt es inzwischen alles auf CD oder man kann es sich vom Computer herunterladen. Es wurde endlich Zeit für den alten Kasten, auch wenn er recht dekorativ aussah. Mein Sohn und ein Freund entsorgten ihn, das Teil war ziemlich schwer. Am gleichen Abend sah ich im Fernsehen eine Dokumentation mit dem Titel „Venyl Revival“. (Venyl ist der Stoff, aus dem die schwarzen Scheiben gepresst werden.) Ich erfuhr, dass es riesige Plattenbörsen gibt, wo Sammler bis zu dreißigtausend Euro ausgeben. Im Interview sagten sie mit leuchtenden Augen: „Schallplatten sind etwas Besonderes, sie ermöglichen eine taktile Sinnlichkeit“. Ein anderer schwärmte: „Du kannst die Musik fühlen“. Und: „Das hat eine ganz andere Wertigkeit, die gibt der Musik ihr Gesicht zurück.“ Ach, sie haben ja so recht: Eine Schallplatte vorsichtig zwischen die Hände zu nehmen, sie auf den Plattenteller zu legen, den Tonarm aufzusetzen – das hat schon etwas. Vielleicht habe ich einen Fehler gemacht…    

Kommentare

  1. Liebe Frau Dr. Wlodarek, vielen Dank dafür, dass Sie uns Ihre Erfahrung mit dem Entrümpeln erzählen. Ich frage mich, inwieweit werden wir bei unseren Entscheidungen von anderen manipuliert? Vielleicht sind Sie unbewusst dem Wunsch Ihrer Familie gefolgt? Als Psychologin können Sie das natürlich besser beantworten. Und außerdem ist die Anlage nun weg. Ärgern schadet uns ja bekanntlich selbst. Herzliche und fröhliche Grüße nach HH!

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