Direkt zum Hauptbereich

G20 - eine Überlegung

Von einem Bekannten aus den USA bekam ich eine Mail, in der er sich nach meiner Einschätzung der Vorgänge zu dem G20 Gipfel erkundigte. Hier meine Antwort zu den Erfahrungen der letzten Tage, die uns Hanburger immer noch bewegen:
 
Lieber Mr. H.
vielen Dank für Ihre Mail. Ich kann mir gut vorstellen, dass Sie und Ihre Frau als Hamburg-Liebhaber und -kenner die Ereignisse besorgt verfolgt haben. In den USA sind vermutlich vor allem die Bilder vom Treffen Trump-Putin und von den Krawallen angekommen?
Sie fragen mich nach meiner Meinung, die natürlich ganz subjektiv ist.

Ich muss gestehen, dass ich zu dem Gipfel in Hamburg zwei Seelen in der Brust habe.
 Als Psychologin weiß ich, wie wichtig eine direkte Kommunikation ist. Persönlicher Austausch ist wesentlich effektiver als jede andere Art des Kontaktes. Mimik, Körpersprache, Wortwahl im Gespräch enthalten weitaus mehr Informationen als ein Telefonat.   Von daher finde ich es sehr wichtig, dass sich die WeltführerInnen sehen und mit einander sprechen - und wenn es noch so aufwändig und teuer ist. Zumal ja auch hinter den Kulissen die sogenannten Sherpas Verhandlungen führen.
Bei tausenden von Unterhändlern und  4000 Journalisten muss auch die Infrastruktur gegeben sein, also eine Verlagerung aufs Land ist damit nicht möglich.
Aber musste es Hamburg sein??
Ich halte die Wahl des Ortes für unüberlegt. Offenbar hat man dabei nur an Werbung, und Renommee für die Stadt und kommerziellen Gewinn (Hotelbelegung etc.) gedacht.

Nachdem die EinwohnerInnen Olympia abgelehnt hatten, wurde G 20  jetzt über ihre  Köpfe hinweg beschlossen. Und das offenbar recht blauäugig.
Im Internet hatten die Linksradikalen diverser Länder schon Gewaltbereitschaft angekündigt.  Diesem Vorsatz mit Vernunft zu begegnen, ist ziemlich sinnlos, wie sich gezeigt hat. Wer die Auseinandersetzung sucht, nimmt jeden Vorwand, um das umzusetzen, egal, wie sich die Polizei verhalten hätte. Es war geplant.

Das Areal für G20 lag mitten in der Stadt. Von daher kann man sich an fünf Fingern abzählen, was da passiert..
Das Ausmaß der Zerstörungswut war gewaltig. Über die psychischen Hintergründe kann ich nur spekulieren.: Es sind junge Männer, die offenbar keine andere Form der Herausforderung kennen. Sie kommen mit Frieden und Demokratie nicht zurecht. Die "Schlachten" geben ihnen das Gefühl von Intensität, Wichtigkeit und Gruppenfeeling.  Sie agieren eine diffuse Wut aus. Das ist keine Entschuldigung, nur der Versuch einer Erklärung

Eine deutliche Kritik möchte ich gegenüber den Medien, vor allem dem TV, aussprechen! Wie schon bei Terroranschlägen wurden die Untaten übermäßig gehyped. Immer wieder lag der Fokus auf den Krawallen und das perfide Motto "Welcome to Hell" wurde ständig wiederholt. Mediale Aufmerksamkeit facht das Feuer doch nur noch an! Eine sachliche Nachricht und im übrigen mediales Ignorieren wäre wichtig gewesen.  So aber bekamen die Zerstörer viel zu viel Aufmerksamkeit. Die friedlichen Demonstrationen und sachlichen Inhalte von Protesten verschwanden dagegen. Sie hätten mehr Raum gebraucht und verdient.

Wenn Sie jetzt ein Fazit von mir haben möchten, dann kann ich nur sagen: Es ist eine Erfahrung. Ich glaube, dass Hamburg von seinem Charakter als Stadt für G20 nicht geeignet war. Es ist eben doch die Stadt der Elbphilharmonie und des Hafengeburtstags. Das weitläufigere und vergleichsweise "raue" Berlin hätte besser gepasst.

Ich hoffe, Sie können mit meinen Überlegungen von "vor Ort" etwas anfangen.
Mit herzlichen Grüßen an Sie und Ihre Frau

Eva Wlodarek

 

Kommentare

  1. Ich schließe mich Ihrer Meinung an, Frau Dr. Wlodarek. Hamburg und Berlin kenne ich als Besucher. Hamburg gefällt mir überaus gut. Allerdings ist Berlin bunt und es gibt ruhige Ecken, wo man gar nicht vermutet, dass das Berlin ist. Die Menschen sind durchaus auch liebenswürdig, manchmal natürlich auch hart wie überall. Mein Mitgefühl galt am Wochenende allen Betroffenen. Ich wünsche mir, dass die Verantwortlichen aus den Fehlern lernen und die Geschädigten schnell und unbürokratisch Hilfe erhalten. Herzliche Grüße nach Hamburg!

    AntwortenLöschen

Kommentar veröffentlichen

Beliebte Posts aus diesem Blog

Ruhe bitte!

Die Autorin Regina Kramer schreibt in einem Artikel: „Lärm ist nicht nur eins auf die Ohren, sondern auch auf Psyche.“ Sie hat ja so Recht! Ich weiß, wovon ich rede: Unter unsere Wohnung in einem schönen, aber hellhörigen Altbau sind seit einiger Zeit drei koreanische Musikstudentinnen eingezogen. Seitdem wird gerne zwischen 11.00 Uhr und 19.00 Uhr Geige geübt. Nicht etwa zusammenhängende Melodien, sondern einzelne Töne, die an die Laute einer malträtierte Katze erinnern. Aber mir bleibt ja noch die Flucht ins Büro. Nur, seit einem halben Jahr hat unter meinen Räumen ein Laden für Shishas (Wasserpfeifen) eröffnet. Offenbar ist Musik dem Verkauf förderlich, jedenfalls höre ich die Bässe wummern. Nachdem ich mehrfach wie ein Racheengel im Laden aufgetreten bin, ist es derzeit ruhig. Zu empfindlich? Oh nein, ich habe die Hirnforschung auf meiner Seite: Laute Geräusche mindern die Informationsverarbeitung im Gehirn und blockieren die Kreativität. Aber als Psychologin weiß ich auch...

Kleine Freuden

Vor ein paar Tagen war ich in Oldenburg. Weil ich zwischen zwei Vorträgen Zeit hatte, bummelte ich durch die schöne Stadt mit ihren vielen reizvollen Geschäften. Ich trug einen langen schwarzen Mantel. Und plötzlich sagte hinter mir eine weibliche Stimme: "Was für eine schöne Silhouette." Erfreut drehte ich mich um und blickte einer sympathischen Dame ins Gesicht. Als ich  mich für das Kompliment bedankte, erklärte sie mir: "Wenn ich etwas schön finde, dann sage ich das gerne." Ich freute mich gleich doppelt, denn ich hatte offenbar eine Schwester im Geiste getroffen: Wenn mir etwas an jemandem gefällt, dann teile ich das mit, auch wenn ich die Person gar nicht kenne. Erst stutzen diejenigen meist, weil so eine Ansprache eher ungewöhnlich ist. Eine Dame, deren extravaganten Hut ich bewunderte, fragte sogar misstrauisch: "Meinen Sie das ernst?". Doch dann löst mein Kompliment immer Freude aus - so wie ja auch, siehe oben, bei mir. Weil es einfach schön ...

Enge des Herzens

1995 bekam Christiane Nüsslein-Volhard den Nobelpreis für ihre Forschung zur genetischen Steuerung der Embyonalentwicklung. Jetzt erzählt sie in einem Interview im Spiegel unter anderem , wie man im Kollegenkreis darauf reagiert hat: Nachdem sie vom Nobelpreis-Komitee benachrichtigt worden war, rief Nüsslein-Vollhard den Direktor ihres Instituts an  und informierte ihn: "Ich werde den Nobelpreis bekommen, ich glaube, wir sollten eine Feier organisieren." Er sagte: "Kannst du dich bitte um den Sekt und all das kümmern? Ich habe gerade keine Zeit." Was für eine Enge des Herzens. Ich kann durchaus verstehen, dass man neidisch ist. Schließlich ist Neid ein Gefühl, das einen plötzlich überfällt. Aber dann haben wir die Wahl, wie wir damit umgehen. Wenn wir unser Herz sprechen lassen, wird die Mit-Freude für den anderen überwiegen. Und wenn wir es nicht mit dem Herzen schaffen, dann doch wenigstens mit dem Kopf: Da erhält  jemand, was er sich mit großem  Engagement ve...