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Unglückliche Kindheit

Im Magazin der Süddeutschen Zeitung stand kürzlich ein Interview mit Yasmina Reza, international bekannt durch ihr Theaterstück "Der Gott des Gemetzels". Als Überschrift hatte man ein Zitat von ihr gewählt: "Ohne glückliche Kindheit führt man ein schöneres Leben." Ein ungewöhlicher Aspekt, der mich zum Lesen verführte. Allerdings überraschte mich die Erläuterung der Autorin: Ihrer Ansicht nach führt  eine unglückliche Kindheit dazu, dass man sich nicht nach ihr zurücksehnt und deshalb im Leben vorwärts schaut.
So kann man es sehen. Obwohl mir das eher eine nützliche Form des Selbstschutzes zu sein scheint. Statt zu trauern und zu leiden, spaltet man die unglückliche Erfahrung ab und richtet den Blick auf die Gegenwart und Zukunft.
Ich hatte eigentlich diese Interpretation erwartet: Wer eine unglückliche Kindheit hatte, gewinnt dadurch oft mehr Energie als jemand, der einen leichten Start hatte. Dafür gibt es viele prominente Beispiele besonders unter KünstlerInnen. Allerdingssetzt das eine gewisse Stärke, auch Resilienz genannt, voraus. Als ehemalige Psychotherapeutin weiß ich auch, wie zerstörerisch sich eine unglückliche Kindheit auswirken kann. So gesehen ist es möglicherweise sogar ein sinnvoller Ausweg, sich das Unglück als innere Freiheit schön zu reden und das Beste aus der Gegenwart zu machen.

Kommentare

  1. Eine interessante Sichtweise. Heißt Erfolg gleich Glück? Oder ist Anerkennung Ersatz für fehlende Liebe? Die fehlende Liebe in der Kindheit, kann einem niemand ersetzen. Erst wenn wir Loslassen und die Liebe in uns selbst finden, können wir frei und glücklich sein. Wir brauchen Liebe und Anerkennung.

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  2. Beide Sichtweisem finde ich hochinteressant...

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  3. Kann einem wirklich niemand die fehlende Liebe ersetzen oder gibt es vielleicht doch die Möglichkeit, durch einen liebenden Partner etwas nachzuholen? Kann man von einer zerstörerischen Kindheit ohne Liebe heilen?

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