Direkt zum Hauptbereich

Rollenspiel

Ein Wahlkampf ist nicht nur in puncto Politik interessant, sondern auch eine Fundgrube für psychologische Überlegungen.  
Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat einem „Spiegel“-Reporter  erlaubt, ihn während dieser Zeit wochenlang zu begleiten. Nach der Wahl ist der Artikel dazu im Magazin erschienen. Der Blick hinter die Kulissen zeigt die Anstrengungen, das emotionale Auf- und Ab und auch die Schwächen von Schulz während des Wahlkampfes.
An dieser ehrlichen Darstellung scheiden sich die Geister. Die einen loben die Authentizität und Menschlichkeit des Kandidaten, die anderen schütteln den Kopf über so viel Selbstentblößung (siehe Spiegel-Leserbriefe).
Als Psychologin und Coach für Auftritte sehe ich das so: Wer sich in eine Rolle begibt, sollte sich dieser Rolle entsprechend verhalten. Zum Beispiel: Als ich noch als Psychotherapeutin tätig war, habe ich meinen Klienten auch nicht von meinen eigenen Problemen erzählt oder bin vor ihnen in Tränen ausgebrochen, weil mich ihre Geschichte so sehr berührte. Bei aller Empathie verlangte die Rolle eine notwendige Distanz. Deshalb, so interessant es auch ist, Hintergründe zu erfahren - Schulz hat Privates und Öffentliches vermischt und ist damit seiner Rolle nicht gerecht geworden. Authentizität wäre vielmehr an anderer Stelle gefragt gewesen: Sich von falschen Spindoktoren nicht verbiegen zu lassen.


Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Ein Freund, ein guter Freund...

Forscher an der Universität Kansas haben herausgefunden, dass es 50 bis 200 gemeinsam verbrachte Stunden braucht, damit sich eine   „Bekanntschaft“ in eine „Freundschaft“ verwandeln kann. Noch einige Stunden mehr dürften es ein, um dann von einem „Freund“ oder einer „Freundin“ zum „guten Freund“ oder zur „guten Freundin“ zu avancieren. Was lernen wir daraus? Wenn wir uns einen Freundeskreis aufbauen wollen, müssen wir Zeit investieren. Doch das ist es nicht allein, auch die Qualität spielt eine Rolle. Der Studie zufolge sollten die Treffen den Beteiligten einen tieferen persönlichen Gewinn bringen, etwa durch Gespräche - oder Vergnügen bereiten. Zugegeben, Freunde bei Facebook findet man schneller. Aber das lässt sich nicht vergleichen.

Selbst schuld?

Am liebsten möchte ich gar keine Nachrichten mehr hören oder sehen – doch das hieße, den Kopf in den Sand zu stecken vor allen politischen und sozialen Krisen in Deutschland und der Welt. Eins nutzt dabei auch nichts: Sich über das Auftauchen von so vielen mitleidlosen und/oder wirren politischen Führern zu wundern. Der Satiriker Franz von Seboca trifft den Nagel auf den Kopf: „Wenn Psychopathen in freien, allgemeinen und gleichen Wahlen zu Führern bestimmt werden, wirft das Fragen nach der geistigen Gesundheit des Wahlvolkes auf.“ Der Mann hat Recht – und wir PsychologInnen haben noch viel zu tun.

Lesezeichen

Unglaublich: Fast 90 000 Bücher erscheinen jedes Jahr in Deutschland,   die meisten traditionell im Herbst. Um den Termin der Frankfurter Buchmesse herum geben dann Magazine und überregionale Zeitungen Tipps, was zu lesen lohnt. Dazu wühlen sich die Journalisten vorab durch unzählige Krimis, Romane, Sachbücher. Ich bin für ihre Arbeit dankbar, denn andernfalls wäre mir vielleicht der eine oder andere Schatz entgangen. Aber noch mehr freut mich, dass zu diesem Zeitpunkt Bücher so gefeiert werden. Sie sind, allen anderen Medien zum Trotz, für unsere Seele besonders wertvoll. Ich habe selbst durch Ratgeber viel gelernt. Manchmal war es nur ein Satz, der mir plötzlich eine ganz neue Sichtweise bescherte. Der Schriftstellers Tschingis Aimatov hat durchaus Recht, wenn er sagt: „Du öffnest die Bücher und sie öffnen dich.“ In diesem Sinne wünsche ich allen, dass sie für sich den passenden „Seelenöffner“ finden, sei es in Form eines berührenden Romans, einer Biografie oder eines Sachbuches