Ein Wahlkampf ist nicht nur in puncto Politik
interessant, sondern auch eine Fundgrube für psychologische Überlegungen.
Der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz hat einem „Spiegel“-Reporter
erlaubt, ihn während dieser Zeit wochenlang
zu begleiten. Nach der Wahl ist der Artikel dazu im Magazin erschienen. Der
Blick hinter die Kulissen zeigt die Anstrengungen, das emotionale Auf- und Ab und
auch die Schwächen von Schulz während des Wahlkampfes.
An dieser ehrlichen Darstellung scheiden sich die
Geister. Die einen loben die Authentizität und Menschlichkeit des Kandidaten,
die anderen schütteln den Kopf über so viel Selbstentblößung (siehe
Spiegel-Leserbriefe).
Als Psychologin und Coach für Auftritte sehe ich das so:
Wer sich in eine Rolle begibt, sollte sich dieser Rolle entsprechend verhalten.
Zum Beispiel: Als ich noch als Psychotherapeutin tätig war, habe ich meinen
Klienten auch nicht von meinen eigenen Problemen erzählt oder bin vor ihnen in Tränen
ausgebrochen, weil mich ihre Geschichte so sehr berührte. Bei aller Empathie
verlangte die Rolle eine notwendige Distanz. Deshalb, so interessant es auch
ist, Hintergründe zu erfahren - Schulz hat Privates und Öffentliches vermischt
und ist damit seiner Rolle nicht gerecht geworden. Authentizität wäre vielmehr an
anderer Stelle gefragt gewesen: Sich von falschen Spindoktoren nicht verbiegen
zu lassen.
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