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Posts

Viel Glück!

In letzter Zeit bin ich in Zeitschriften immer wieder auf den Satz "Glück muss man sich erarbeiten" gestoßen. Als Glücksexpertin - ich habe schließlich meine Dissertation darüber geschrieben - kann ich das natürlich nicht unkommentiert lassen. Nun ja, so manches Glück wird einem einfach geschenkt, wie zum Beispiel ein gesundes Kind oder eine wunderbare Stimme. Aber darüber hinaus hat der Satz durchaus seine Berechtigung, und zwar in mehrfacher Hinsicht: Wenn wir aus dem, was uns gegeben ist, nichts machen, ist es mit dem Glück schnell vorbei. Und  noch wichtiger: Glück ist ein Gefühl, das von äußeren Umständen zwar befördert werden kann, letztlich aber davon unabhängig ist. Das beweisen Untersuchungen mit Lottogewinnern und Unfallopfern. Nach einem ersten Glückstaumel bzw. Schock pendelte sich der Gemütszustand beider Gruppen auf die ursprüngliche Frequenz ein. Die positiven und negativen Erlebnisse wirkten sich also letztlich kaum auf das Glücksgefühl  aus. W...

Choupette

So viel Zeit habe ich schon lange nicht mehr vor dem Fernseher verbracht, aber es war auch psychologisch zu interessant: Auf VOX gab es einen Abend über den Designer Karl Lagerfeld unter dem Titel "Mode als Religion". Eindeutig, der Mann ist der Papst der Modeszene. Kreativ, brillant. Er versteht sein Handwerk.  Und nicht nur das, ebenso ist er ein Meister der Selbstinszenierung.Dafür setzt er geschickt alle dazu nötigen Verhaltensweisen ein. Wie etwa diese: Distanz wahren, Unabhängigkeit zelebrieren. Selbstironie zeigen. Intelligente Statements abgeben. Auf noble Weise bescheiden sein ("Ich bin doch nicht der Sonnenkönig, das ist albern). Großzügig sein. Günstlinge mit Wohlwollen bestrahlen. Optisch unverwechselbar sein.  Ich fand es faszinierend, wie sich das auswirkt. Seine Mitarbeiter setzen sich vor lauter Respekt selbst unter Druck setzten. "Ich hoffe, das Karl das gefällt."  "In einer Stunde kommt Karl und will sich das ansehen. Bis dahin müssen w...

TRAGISCH

 "Tschick", ein Roman von Wolfgang Herrndorf, wurde mir 2010 vom Verlag zugeschickt. Der Klappentext wies ihn als Abenteuerfahrt zweier jugendlicher Ausreißer aus, die auf ihrem Weg durch den wilden Osten den Geheimnissen des Lebens begegnen. Nun ja, nicht gerade ein Thema, das mich brennend interessierte. Irgendwann fing ich dann doch an zu lesen - und war hingerissen. " Es ist diese Zartheit, die sich allein über den Ton vermittelt, die eine Kameradschaft, Zugehörigkeit und Identifikation erzeugt, der sich kein Leser entziehen kann und will" schwärmte der Spiegel zu Recht. "Tschick" wurde ein Sensationserfolg, verkaufte sich über eine Millionen mal. Der Traum jedes Autors, was für ein Glück. Und dann:  Im Frühjahr 2010 wurde bei Wolfgang Herrndorf ein bösartiger Gehirntumor diagnostiziert. Mit aller Kraft kämpfte er gegen die Krankheit, aber ohne Erfolg. Nach einem Arztbesuch mit endgültig hoffnungslosem Befund hat sich Wolfgan...

"Die Knochen kennen die Wahrheit"

Ich weiß, mit diesem Blog werde ich einige ärgerliche Kommentare herausfordern. Aber ich sage es hier trotzdem ganz offen: Ich bin gegen Kriminalromane Gerade hat meine Aversion wieder neue Nahrung bekommen. Ich  habe einen Stapel Vorschau-Kataloge von Verlagen durchgesehen, um mich zu informieren, welche Ratgeber-Titel  eventuell empfehlenswert sein könnten. Angeboten werden auch jede Menge Krimis.Dazu kündigt man das neue Werk eines bekannten Autors beispielsweise so an: "Ein junges Mädchen wird tot im Wald gefunden. Sie wurde brutal vergewaltigt. Zehn Jahre später wird an der Stelle ein Polizist getötet, sein Gesicht ist grausam entstellt." Man zitiert auch gerne direkt aus einem Buch: "Das Streicholz verströmte erstaunlich helles Licht in dem dunklen Raum, und die Augen der Frau, die vor ihm kniet, weiten sich erschrocken." Oder wirbt mit dem Versprechen: "Angst und Schrecken von der ersten bis zur letzten Seite". Na, Lust auf Lesen bekommen? Ich...

Modisches Statement

Ich interessiere mich für Mode. Nein, nicht nur im Blick auf meinen Kleiderschrank, sondern vor allem für ihre   psychologische Bedeutung. Frei nach einem bekannten Ausspruch von Paul Watzlawick können wir nämlich modisch nicht nicht kommunizieren, selbst wenn wir uns in Sack und Asche hüllen. Mit unserem Outfit treffen immer eine Aussage über uns selbst. Kürzlich las ich in einer US-Zeitschrift ein Interview mit der Galeristin  Megan Piper. Sie brachte das auf den Punkt, indem sie sagte: "Dressing is like telling a story about who you are." Unter diesem Aspekt habe ich mir dann mal bei einem Cappucino im Straßencafe die Passanten angesehen. Es war interessant, was die Kleidung über ihre BesitzerInnen zu sagen wusste: "Ich falle gerne auf.". "Ich bin sportlich". "Ich bin romantisch" . "Mir sind Äußerlichkeiten unwichtig.". "Ich bin eine Lady". "Ich bin sexy.". "Ich bin bequem." Kleidung erzählt viele...

CARPE DIEM

Im Urlaub war ich in der Bretagne. Eine traumhafte Landschaft, wenn auch das Wetter dort bekanntermaßen Hamburger Verhältnisse zeigt. Aber die Farben machen das wett: Dieser in allen Graublautönen changierende Himmel, das damit korrespondierende Meer - und als Extra ein Mohnblumenfeld. Zwischen den Ähren standen Hunderte von leuchtendroten Blumen. Ein zauberhafter Anblick. Ein paar Tage lang radelte ich auf dem Weg zum Bäcker entzückt daran vorbei.  "Das muss ich unbedingt fotografieren," dachte ich. Aber mal hatte ich den Fotoapparat vergessen, mal war ich in Eile. Endlich passte es und ich fuhr mit meiner kleinen Kamera dorthin, um die Aufnahmen zu machen.  Das Feld war abgeerntet, alle Blumen verschwunden. Hätte ich meine Aufnahmen doch bloß gleich gemacht, statt sie zu verschieben. Meine Lehre daraus: Demnächst werde ich sofort umsetzen, was ich mir vorgenommen habe.Dann gibt es auch nichts zu bereuen. Das gilt auch für größere Dinge.     

Die Chaneltasche

„Willkommen in der Realität“ sagte meine Nachbarin mit bitterem Lächeln, als ich sie nach Ihrer Tochter fragte. Die ist exzellent ausgebildet, hat schon einiges an Berufserfahrung, ist außerdem liebenswürdig, bildhübsch – und seit kurzem arbeitslos, weil die Firma, in der sie bisher tätig war, überraschend Pleite gemacht hat. Seitdem bewirbt sie sich in ihrer Branche. 50 Bewerbungen hat sie schon geschrieben, drei Vorstellungsgespräche haben sich daraus ergeben. Alle drei Arbeitgeber waren begeistert - und haben ihr einen Job als Praktikantin angeboten! Das war nun nicht gerade das, was sie sich vorgestellt hat. Sie hätte schon gerne ein Gehalt von dem sie leben kann. Daraufhin verstieg sich einer der Personaler zu der Aussage: „Sie würden zwar großartig in unser Team passen, aber Sie sind die Chanel-Tasche, die wir uns nicht leisten können.“ Stellt sich mir die Frage: Wie kommt dieses Land ohne Chanel-Taschen weiter?